Von am 26. März 2014

Der Stadtrat von Schaffhausen gibt in Ergänzung der von ihm am 2. April betanntgegebenen Orientierung zu der Heimsuchung, die Schaffhausen am 1. April betroffen hat, folgende weitere Tatsachen bekannt: Die Gesamtzahl der bisher festgestellten und identifizierten Todesopfer der Bombardierung einzelner Stadtteile Schaffhausens hat sich auf 35 erhöht. Noch immer ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß weitere Todesopfer unter den Trümmern eingestürzter Gebäude verschüttet sind. In Spitalpflege befinden sich 46 schwer und leichter Verletzte. Unter den Schwerverletzten sind mindestens 5, deren Zustand zu allergrößten Bedenken Anlaß gibt. Von den übrigen Schwerverletzten, bei denen Hoffnung besteht, sie am Leben erhalten zu können, dürfte eine größere Zahl dauernd invalid bleiben. Die Schwer- und Leichtverletzten setzen sich zusammen aus etwa 20 Frauen und Kindern, 23 Männern und einigen Militärpersonen. 29 Leichtverwundete konnten nach ambulanter Behandlung durch die Sanitätshilfsstellen der Luftschutzorganifation und der Spitalärzte nach Hause entlassen werden. Eine Anzahl weiterer mehr oder weniger Leichtverletzte haben sich direkt in ärztliche Pflege begeben.

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Die Zahl der Obdachlosen ist beträchtlich. Nach einer vorläufigen, noch nicht endgültigen Feststellung sind durch die Bombardierung unserer Stadt 67 Gebäude schwerer oder weniger schwer beschädigt worden. Zahlreiche andere Gebäude haben leichtere Schäden, z. B. eine teilweise Zerstörung der Dächer, Zerstörung der Schaufensterscheiben oder der Fensterscheiben der Wohnungen. Bei einer ganzen Anzahl von Gebäuden besteht immer noch Einsturzgefahr. Der technische Dienst der Luftschutzorganisation, unterstützt durch SpezialHilfskräfte der Stadt Schaffhausen und der Armee, sind an der Arbeit, die erforderlichen Sprengungen und Räumungsarbeiten vorzunehmen.
Die zerstörten oder schwerbeschädigten Gebäude gruppieren sich in 49 Häuser mit Wohnungen und 18 Häuser, die Fabrikbetriebe, größere gewerbliche Betriebe, Verwaltungen und Museen beherbergten. In 38 Gebäuden sind zusammen 108 Wohnungen vollständig zerstört und unbewohnbar geworden. In weiteren 11 Gebäuden sind 29 Wohnungen mehr oder weniger schwer beschädigt, aber noch ganz oder teilweise bewohnbar. Unter den Verwaltungsgebäuden hat das historische Kassenzimmer, der Rathausbogen und die Ratbauslaube schwer gelitten. Stark mitgenommen ist auch das Kantonsgerichtsgebäude und das Gebäude der kantonalen Polizeiverwaltung. Beschädigungen weist das Regierungsgebäude auf. Eine Sprengbombe hat vor diesem Gebäude (an der Beckenstubei allein zirka IN Todesopfer gefordert.
Unter den industriellen oder gewerblichen Bauten wurden durch verheerendes Feuer schwer mitgenommen: die Silberwarenfabrik Jezler, die neue Tuchfabrik A.-G., die Lederwarenfabrik Hablützel und die Lederwaren-fabrik A.-G. (Keßler) Schaffhausen. Ebenfalls nahezu vollständig ausgebrannt sind die Velo-bestandteilefabrik der Gebrüder Weinmann, das Velogeschäft und die Velofabrik Nohl, die Großgarage Rattin und andere Bauten.
Schwer beschädigt wurde das Museum zu Allerheiligen. Die Kunstabteilung ist zu einem großen Teile zerstört. Auch einige historische Zimmer sind durch einem direkten Bombentreffer zerschmettert worden. Das Stimmer-Kabinett mit den wertvollen Gemälden von Tobias Stimmer ist völlig mit samt seinen unersetzlichen Beständen vernichtet. Im Kabinett der alten Meister ist ein Lukas Cranach (Martin Luther) vernichtet und das andere, ebenfalls unersetzliche und unschätzbare Gemälde aus der Schule Konrad Witz, der Jünteler-Altar, ist so schwer beschädigt, daß es wahrscheinlich nicht mehr gerettet werden kann. Weitere Gemälde alter Meister sind ebenfalls zugrunde gegangen. Die für Schaffhausen wertvolle und historisch besonders bemerkenswerte Sammlung der Schaffhauser Maler aus den letzten zwei Jahrhunderten ist ebenfalls das Opfer der Zerstörung geworden.
Ebenfalls sehr schweren Schaden hat das in den letzten Jahren vollständig neu und sorgfältig eingerichtete Naturhistorische Museum erlitten. Der vorbildlich eingerichtete Zoologiesaal ist völlig zerstört. Die petrographi-schen Sammlungen sind stark mitgenommen und das Gebäude selbst hat außerordentlich schwer gelitten.
Auch die städtischen Werke haben Schäden zu verzeichnen. Das Elektrizitätswerk ist allerdings leicht beschädigt. Das Gaswerk ist unbeschädigt. Dagegen sind zahlreiche Kurzschlüsse und Unterbrechungen der Stromversorgung zufolge Bom bentreffern und Zerstörung von überirdischen Leitungen eingetreten. Auch die Gas- und Wasserleitungen wurden schwer beschädigt, sodaß die Gasversorgung für gewisse Stadtteile während längerer Zeit unterbrochen werden mußten. Die Straßenbahn verzeichnet ebenfalls Beschädigungen, die den Straßenbahnbetrieb zwischen Schaffhausen und Neuhausen bis zum Sonntagabend verhinderten. Alle diese Schäden sind in Tag- und Nachtarbeit und äußerster Anspannung der verfügbaren Kräfte größtenteils wieder behoben, obwohl die Reparaturarbeiten da und dort nur provisorischen Charakter haben können.
Ein Rundgang durch die Stadt am Sonntag, den 2. April, nachmittags, erweckt einen erschütternden Eindruck. Noch immer schwelt da und dort das Feuer und zwingt die wachsame Luftschutzfeuerwehr zum Eingreifen. Die Straßen der betroffenen Quartiere sind für Neugierige militärisch gesperrt. Nur Anwohner oder sonstige Zutrittsberechtigte erhalten die Erlaubnis, die Absperrung zu passieren.
Bundesrat und General in Schaffhausen
Am Samstagnachmittag traf in Schaffhau sen als Beauftragter des Bundesrates Herr Bundesrat Kobelt, Vorsteher des eidgenössischen Militärdepartementes, ein. Er wurde vom Stadtpräsidenten und dem Stadtrat empsangen und über das Ausmaß der Schäden und des Unglücks unterrichtet. Herr Bundesrat Kobelt nahm persönlich und als Vertreter der Landes-behöroe aufrichtigen Anteil an der Heimsuchung und stellte jede mögliche Hilse des Bundesrates bereitwillig in Aussicht. Auch am Sonntag, den 2. April, besuchte Herr Bundesrat Kobelt erneut die beschädigten Quartiere Schaffhausens und besprach sich mit den Vetretern der städtischen Behörden über die getroffenen und weiter zu treffenden Maßnahmen.
Im Laufe des Vormittags des 2. April traf General Guifan in Schaffhausen ein. Er wurde auf dem Stadthaus von den städtischen und kantonalen Behörden begrüßt und nahm an einer kurzen, aber eingehenden Besprechung aller erforderlichen Maßnahmen teil. Anschließend begaben sich General Guisan und die Behördemitglieder zu den Verwundeten im Kantonsspital, in den Waldfriedhof und in die Totenhalle und besichtigten nachher die Quartiere und Gebiete der Stadt, welche das Opfer der Bombardierung geworden sind. General Guisan sprach den städtischen und den kantonalen Behörden seine Anteilnahme aus und verband damit die Erklärung, daß er bereit sei, Stadt und Kanton mit den Mitteln der Armee nach Bedarf zur Verfügung zu stehen.

Freundeidgenössische Solidarität

Eine große Anzahl Schweizerstädte aus allen Gegenden unseres Landes haben dem Stadtrat von Schaffhausen telegraphisch ihre herzliche Anteilnahme ausgesprochen. Die städtischen Behörden von Winterthur, Zürich und St. Gallen und der Regierungsrat des Kantons Zürich haben sich durch persönliche Delegationen an Ort und Stelle unterrichten lassen und den städtischen Behörden ihre aktive Hilfsbereitschaft angeboten.
Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat der Stadt Schaffhausen für zusätzliche Hilfeleistungen für die in Not Geratenen einen Betrag von Fr. 20,000.— zur Verfügung gestellt. Der Gemeinderat von Neuhausen am Rheinfall hat durch eine persönliche Delegation der Nachbargemeinde sein Beileid ausgesprochen und ihr als Zeichen der Solidarität Fr. 5000.— zur Verfügung gestellt. Die Zunft zum Kämbel in Zürich überwies der Stadt Schaffhausen als freundeidgenössische Spende einen Betrag von Fr. 1000.—. Der Schießverein Nürensdors beschloß und überwies einen Betrag von 100 Fr.

Arbeitslose und Obdachlose

Eine Konferenz der betroffenen Betriebsinhaber, die unter dem Vorsitze des Stadtpräsidenten stattfand, gab sich in einem ersten Ueberblick Rechenschaft über die Folgen der Ereignisse vom letzten Samstag. Sämtliche Betricbsinhaber zeigten sich bereit, ihr Möglichstes von sich aus beizutragen, um ihren männlichen und weiblichen Arbeitskräften Arbeitslosigkeit zu ersparen. Trotz dieser anerkennenden Haltung ist damit zu rechnen, daß etwa 200 Männer und Frauen für kürzere oder längere Zeit arbeitslos werden. Um ihnen beizustehen, ist zwischen Be triebsinhabcrn und Behörden eine Verständigung erfolgt.
Die Zahl der Obdachlosen, die offiziell betreut werden müssen, beträgt über 200. Eine weitere größere Zahl Obdachloser hat sich vorerst selbst geholfen dadurch, daß sie bei Verwandten oder Bekannten Unterkunft suchten und auch fanden. Der Stadtrat hat alles vorgekehrt, um den Obdachlosen, unter denen sich Familien und Einzelpersonen befinden, die nichts mehr besitzen, als was sie auf dem Leibe tragen, sofort und großzügig beizustehen. Das städtische Fürsorgereferat eröffnet ab Montag, 3. April, eine Zentralstelle, wo sich alle durch die Bombenschäden in Not Geratenen melden können, um erste und dauernde Hilfe zu erfahren.
Gemeinsam mit dem Regierungsrat haben Stadt und Kanton ferner alle erforderlichen Maßnahmen angeordnet, um die Gebäudeschäden, die Maschinenschäden, die Mobiliarschäden und andere materielle Schädigungen festzustellen. Seitens der Bundesbehörden liegt die Zusicherung vor, daß sie bereit sind, diese Bestrebungen der städtischen und kantonalen Behörden zu unterstützen.

Die Bestattung der Opfer

Die Bestattung der Todesopfer der unheil-vollen Ereignisse vom 1. April findet Dienstag, den 4. April, nachmittags 14 Uhr, statt. Eine offizielle, gemeinsame Trauerfeier wird in der Kirchezu St. Johann in Schaffhausen abgehalten. Nach der Trauerfeier findet eine letzte Ehrung der Verstorbenen unter Beteiligung der Angehörigen, der Behörden und der offiziellen Delegationen im Waldfriedhof statt. Ein besonders ausgewählter Platz des Waldfriedhofes wird die letzte gemeinsame Ruhestätte der Todesopfer sein. Sie werden in einem gemeinsamen Grabe einzeln bestattet. Diejenigen Angehörigen, welche ihre Verstorbenen, soweit sie nicht in der Stadt Schaffhausen wohnhaft waren, in ihrem Heimatorte beerdigen wollen, haben dazu ohne weiteres die Bewilligung erhalten.


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